Mittwoch, 7. April 2010

F - Uraufführung



4. Mai 2006: Kulturhaus Abraxas, Augsburg

Uraufführung von „Das Hinfahren des kleinen Fingers über die Augenbraue

Es spielten:
F - Matthias Ubert
Gregor - Michaela Demharter
Josefine - Susanne Günther
Rotpeter - Lienus Nguyen

Kostüme: Tina Bürkmayer
Regie: Kerstin Becke

Fotos: Günther Dörner

F - Personen



Das Hinfahren des kleinen Fingers über die Augenbraue

Farce in 5 Szenen von Klaus Peter Buchheit

Personen:

- ein Mann (F)

- drei Frauen: + Rotpeter (im Affenkostüm)

+ Josephine (im Micky Mouse Kostüm)

+ Gregor (im Käferkostüm)

Bühne: in der Mitte ein Tisch. Hinter dem Tisch ein Sofa.

1. Szene




1. Szene

F alleine. Auf dem Tisch ein Glas Wasser u. ein Häufchen Tabletten. Unter dem Tisch eine Vogelmaske. An der Wand ein Beutel mit roter Farbe

F trägt eine Melone, einen Mantel, darunter T-Shirt u. kurze Hosen

F rennt um den Tisch. Steigt auf den Tisch, springt wieder herunter, hüpft auf dem Sofa herum. F ist immer in hektischer Bewegung.

F:

Die Faust schlag ich auf den Schädel. Die Faust schlagt mir auf den Schädel. Mit der Axt spalt ich die Brust. Die Axt spalte mir die Brust. Mich friert so. Die Axt wird mich wärmen. Alle friert es so, die Axt wird sie wärmen.

F boxt in die Luft. Kämpft mit einem imaginären Gegner.

F:

Warum schweigt ihr? Warum macht ihr nur Geräusche? Nie ist es still. Nie redet ihr. Nie hört ihr zu. Stets fragt ihr warum. Seht dort die Wand. Sie hat Risse. Daraus lärmt es. Den ganzen Tag. Die ganze Nacht. Ich will sie einschlagen. Ich will einen Weg schlagen. Der wird ins Land führen. Weit ins Land.

F nimmt die Tabletten

F:

Die Faust. Die Axt. Das Messer. Meine Hand. Könnt ich nur mit der Hand?

Haltet endlich den Mund.

Haltet doch den Mund.

Was wollt ihr von mir?

Lasst mich in Ruhe.

Ich bleibe hier. Für immer hier. Ich verschwinde durch die Wand. Gehe den Weg ins Land.

Der Fleck da. Ein Schmutz da. Das ist der Weg. Der Weg ist der Schmutz. Der Schmutz ist der Weg. Dreck zu Dreck u. Schmutz zu Schmutz.

F hüpft an die Wand. Schlägt mit der Stirn an die Wand. Küsst die Wand.

F:

Der Fleck ist die Wahrheit. Der Fleck ist Poesie. Der Schmutz ist die Philosophie.

Mich friert so schrecklich. Könnt ich mich nur in den Fleck wickeln wie in eine Decke.

Seht Ihr, der Fleck hat die Form dreier Gestalten. Seht Ihr das denn nicht?

F küsst den Fleck. Hüpft von einem Bein auf das andere.

F:

Weiber. Die Form dreier Weiber. Ich kriech unter ihre Schürzen u. wärme mich. Ich verschwind in dem Wald zwischen ihren Beinen. Dort riecht es gut. Frische Luft.

F schlägt wieder mit der Stirn gegen die Wand. Er trifft den Beutel mit Farbe, der zerplatzt.

F:

Dort ist es warm u. feucht. Ich hab Durst. Ich habe unglaublichen Durst. In mir brennt es u. doch friert es mich. Eisig ist es in mir. Schwer liegt wie Würfel das Eis in mir. Ich bin Cocktail, hochprozentig. Darunter ein Feuer. Ich habe Angst. Angst zu explodieren. Ich werde brennen lichterloh.

F rennt zu dem Glas. Er trinkt einen Schluck.

F:

Die Axt. Ich hau einen Spalt in die Wand. Einen schmutzigen Spalt. Da kriech ich hinein. Dort werde ich endlich verstehen, was ihr sagt. Ich verstehe euch nicht. Was wollt ihr von mir?

Ich hau euch die Faust auf den Schädel. Schlag euch den Schädel ein. Schlag euch ein Loch in euer schwarzes Haar. Darin werde ich meinen Durst stillen.

Was habe ich bloß falsch gemacht? Warum sagt ihr, ich sei an allem schuld? Warum sagt ihr, ich entzöge mich? Warum sagt ihr, ich flöhe die Verantwortung?

Ich bin da. Ich bin da. Ich bin hier. Wie der Fleck. Wie der Schmutz. Wie die Wunde, die ich schlug mit meiner Faust. Mit meiner Axt. Mit meinem kleinen Finger. Ihr seid besudelt. Seht doch, wie der Dreck aus euch quillt. Immerzu quillt es aus euch. Aus eurem Mund. Aus eurem Kopf. Aus euerm Darm. Aus euerm Schwanz. Aus eurer Möse. Immerzu. Immerzu. Kübel voll Unrat schüttet ihr an die Wand. Wo ist mein Fleck? Ich seh ihn nicht mehr.

F bohrt mit dem kleinen Finger in der Luft.

F versucht, den kleinen Finger abzureißen.

F kriecht unter den Tisch u. zieht eine Vogelmaske über.

2. Szene



2. Szene

Rotpeter, Gregor, Josephine sitzen auf dem Sofa.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Mein Geliebter.

F geht zu Rotpeter u. fordert sie zum Tanz auf.

F:

Mein Herr?

F u. Rotpeter tanzen. Dann schubst er sie wieder auf das Sofa.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Mein Hengst.

F geht zu Gregor.

F:

Mein Herr?

F zieht Gregor vom Sofa. Küsst sie. Fasst ihr an die Brust. Greift ihr zwischen die Beine.

F:

Mich friert. Mich friert so fürchterlich.

Gregor will ihn umarmen. Er schubst sie zurück aufs Sofa.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Mein Held.

F geht zu Josephine.

F:

Mein Herr?

Josephine springt auf. F flüchtet. Beide rennen um den Tisch.

F:

Geh weg. Geh weg du. Ich muss alleine sein. Nur alleine bin ich Mann.

Josephine schreit:

Mein Geliebter.

Josephine versucht F zu fassen. Sie erwischt seinen Mantel.

F:

Nein.

Josephine reißt F den Mantel vom Leib.

F schlottert. Schlägt sich die Arme um den eigenen Körper.

F entwendet Josephine den Mantel. Zieht ihn wieder an.

F:

Ich schlag dir ein Loch in den Kopf. Du Untier. Du Mäusebastard.

Josephine trällert eine Melodie. Beide schlendern um den Tisch.

F dreht sich ruckartig um, fasst Josephine an den Mäuseohren, zieht sie über den Tisch u. wirft sie aufs Sofa.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Schlaf mit mir!

F empört:

Meine Herren!

F wirft sich aufs Sofa u. liegt quer über die Beine der drei, die mit ihren Händen über seinen Körper streichen.

F lustvoll:

Meine Herrn!

F rollt sich von den Beinen u. fällt zu Boden. Rotpeter, Gregor, Josephine lachen.

F kriecht unter den Tisch.

F hält sich die Seite, als wäre er verwundet.

F:

Es ist unrecht, über den Helden zu lächeln, der mit der Todeswunde auf der Bühne liegt u. eine Arie singt. Wir liegen u. singen jahrelang.

Rotpeter, Gregor, Josephine lachen aus vollem Hals.

F hält sich die Ohren zu.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Geliebter. Du hattest eine schwere Kindheit. Dein Vater. Deine Mutter. Die Religion hat dich unterdrückt. Die Arbeit dir die Zeit gestohlen. Das ist normal. Das ist doch normal. Wir kennen das. Wir helfen dir. Wir sind doch da. Wir lieben dich. Wir werden nie aufhören, dich zu lieben. Wir werden immer da sein. Nie mehr gehen. Du wirst unser Hengst sein, der uns trägt. Der uns über die Schwelle trägt. Wir werden nicht aufhören, mit dir zu reden. Nie mehr. Nie mehr wirst du unerhört bleiben. Geliebter.

F hält sich weiterhin die Ohren zu.

F:

Ihr seid nicht real. Das ist es. Euch gibt es gar nicht. Ich wisch euch weg. Ich streich euch durch.

F gähnt.

F:

Ihr seid nur ein Traum. Ein Alptraum. Ich schlafe. Und wenn ich aufwache, wird das Zimmer wieder sauber sein.

Rotpeter, Gregor, Josephine stöhnen vor Lust.

F:

Diese Geräusche. Dieser Lärm.

F nimmt eine kleine Schachtel aus der Manteltasche.

Rotpeter, Gregor, Josephine stöhnen lauter.

F steckt sich Ohropax in die Ohren.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Ja. Ja. Ja. Du. Du. Du.

F schläft unter dem Tisch ein.

Rotpeter, Gregor, Josephine tanzen auf dem Tisch. Dann ab.

3. Szene




3. Szene

F im Morgenmantel.

Rotpeter, Gregor, Josephine tragen ebenfalls Morgenmäntel, Unterwäsche darunter. Rotpeter mit aufgemaltem Affengesicht. Gregor zwei Fühler auf dem Kopf. Josephine zwei Mäuseohren. Ansonsten keine Kostüme mehr. Alle drei barfuss.

Alle vier werfen sich, während sie gemächlich um den Tisch spazieren, einen Apfel zu.

Auf dem Tisch ein Glas.

F:

Bückt euch!

Die drei beugen sich vor. Alle laufen weiter. Werfen weiterhin sich den Apfel über den Tisch zu.

F:

Kriecht auf dem Boden!

Alle vier kriechen auf dem Boden. Werfen sich den Apfel unter dem Tisch zu.

F nimmt das Glas.

F:

Spuckt in das Glas.

Jede nimmt das Glas, spuckt hinein, gibt es zur nächsten weiter. Sie kriechen weiterhin. Sie rollen sich den Apfel auf dem Boden zu.

F:

Steht auf. Lauft breitbeinig!

F lacht.

F leise:

Die Wunden öffnen sich. Die Wärme tritt aus. Ich werde mich in die Wärme legen wie ein Tier ins warme Erdloch.

Alle laufen breitbeinig u. im Stechschritt um den Tisch.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Mon général!

F :

Maul halten ! Beugt euch nach hinten.

Sie beugen sich nach hinten.

F:

Aaaah.

Alle laufen weiter. F spielt alleine mit dem Apfel.

F:

Breitet die Arme aus. Ihr seid jetzt Flugzeuge. Wir fliegen.

F lässt immer schneller den Apfel zwischen seinen Händen hin u. her fliegen.

F:

Und jetzt lasst Treibstoff ab. Hopp hopp.

Rotpeter, Gregor, Josephine:

Nein, mon général. Dafür haben Sie nicht bezahlt!

F:

Maul halten! Setzt euch aufs Sofa.

F wirft den Apfel mit voller Wucht an die Wand.

F:

Dann spielen wir ein Spiel.

F setzt sich auf die Knie von Rotpeter.

F:

Mein Herr!

Rotpeter stöhnt gekünstelt lustvoll:

Ja

F:

Hoppe hoppe Reiter. Los. Hoppe hoppe Reiter.

Rotpeter gelangweilt u. gekünstelt lustvoll:

Hoppe hoppe Reiter. Wenn er fällt, dann schreit er. Fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben.

F:

Jaja

Rotpeter spreizt die Beine. F fällt auf den Boden. F küsst Rotpeter die Füße. Rotpeter tritt ihn unter den Tisch.

F:

Ja

F kriecht zurück, küsst die Füße Gregors. Gregor tritt ihn unter den Tisch. F kriecht zurück, küsst die Füße Josephines. Sie tritt ihn zurück unter den Tisch.

F:

Ja. Ja.

Rotpeter, Gregor, Josephine gelangweilt:

Ja. Ja. Ja. Du bist der beste Reiter, mon général.

F unterm Tisch, pathetisch:

Meine Herrn. Meine Herren Huren. Ihr seid zu alt, um noch melancholisch zu sein, nur tut euch leid, wenn es euch auch nicht wundert, dass man zu euch Dingern nicht so lieb wie zu einem Verhältnis ist. Ich habe euch nicht getröstet, da ihr auch mich nicht getröstet habt.

Mich friert noch immer.

F spuckt ins Glas.

F:

Ihr könnt jetzt gehen.

F zieht unter dem Tischbein ein Bündel Geldscheine hervor. Der Tisch wackelt jetzt.

F:

Meine Herren.

Rotpeter, Gregor, Josephine schütteln die Köpfe, nehmen das Geld, stecken es in die Unterhose, murmeln:

Krank!

F streichelt mit der Hand den Fußboden.

F:

Mich friert so.

4. Szene



4. Szene

Rotpeter, Gregor, Josephine stehen wie Marionetten vor dem Tisch. Sie tragen Bikini, eine kleine Kochschürze und Pumps. Die Körper sind mit brauner Erde eingeschmiert. Alle drei haben ein großes, buntes Spielzeughandy in der Hand. Vor den dreien auf dem Boden liegt ein großer Spiegel.

F steht auf dem Tisch u. hält die Fäden der Marionetten in der Hand. Er trägt wieder Mantel und Melone. Darunter die kurze Hose.

Auf dem Tisch liegt eine leere Klopapierrolle.

F lässt die Marionetten hampeln.

F:

Achtung. SMS-Diktat. Ich werde euch Ordnung lehren.

Rotpeter, Gregor, Josephine stehen stramm.

F lässt die drei wieder hampeln.

F lässt Rotpeter hampeln.

F:

Mein Herr, schreiben Sie!

Rotpeter hält das Handy bereit.

F laut und langsam:

Es gibt nur zweierlei

Rotpeter tippt. Gregor und Josephine hängen in den Seilen.

F:

Mein Herr, senden Sie das dem da!

F lässt Josephine hampeln.

Rotpeter schickt demonstrativ die SMS ab.

Klingelgeräusch.

Josephine steht stramm und liest laut und langsam:

Es gibt nur zweierlei

F:

Lauter!

Josephine noch einmal:

Es gibt nur zweierlei

F lässt sie hampeln.

F fährt sich über die Stirn. Er schwitzt. Er zieht umständlich den Mantel aus, nimmt währenddessen die Fäden einmal in die eine dann in die andere Hand.

F wischt sich noch einmal die Stirn ab.

F lässt Gregor hampeln.

F:

Jetzt Sie, mein Herr.

Gregor steht stramm. Brüllt:

Jawoll!

F:

Maul halten. Ich ertrage keinen Lärm.

Gregor:

Jawoll!

F diktiert:

Wahrheit u. Lüge.

Gregor wiederholt beim Tippen:

Wahrheit u. Lüge.

F:

Das ist für Sie, mein Herr Schmutzfink.

F grinst feist. Rotpeter zappelt. Klingelgeräusch. Rotpeter hält ihr Handy hoch.

F:

Singen Sie, mein Herr.

Rotpeter singt:

Wahrheit u. Lüge.

F lacht. Rotpeter, Gregor, Josephine trippeln.

F nimmt die Fäden in eine Hand, steckt die Klopapierrolle in die Unterhose. Lässt das Becken lasziv kreisen.

F stößt mit dem Unterleib nach vorne in die Luft, der Oberkörper geht gleichzeitig nach hinten, dabei zieht er Josephine an den Fäden in die Höhe.

F stakkatohaft:

Jetzt Sie, mein schmutziges kleines Männchen.

Josephine steht stramm.

F brüllt:

Die Wahrheit ist unteilbar.

Josephine leise und devot:

Die Wahrheit ist was?

F, jede Silbe betonend:

Unteilbar.

F macht wieder die lasziven Bewegungen u. zieht Gregor in die Luft.

Gregor schreit erschrocken auf.

F:

Ruhe!

Gregor lässt das Handy fallen.

F:

Sie debile Sau. Sie imbeziles Schwein. Sie lesen mir den Satz jetzt 10 Mal vor. Und zwar laut und deutlich.

Gregor hebt das Handy auf.

Gregor missmutig 10 Mal:

Die Wahrheit ist unteilbar.

F reibt sich im Schritt. Streckt die Zunge heraus. Sagt, während Gregor liest:

blablabla!

F steht still.

Nur andeutungsweise zieht er an den Fäden von Josephine.

F haucht:

Liebster, mein Herr, wenn ich freundlich grüßen darf. Wenn ich bitten darf.

Josephine tut gelangweilt.

F flüstert:

kann sich also selbst nicht erkennen

Josephine:

kann sich

F:

also

Josephine:

also

F:

selbst nicht

Josephine:

selbst nicht

F fast lautlos:

erkennen

Josephine, nachäffend:

erkennen

Gregor u. Rotpeter, nachäffend:

erkennen

F reißt an ihren Fäden, als wolle er sie strangulieren:

Fresse halten!

F leise:

Gäbe es sie nur alle nicht. Ich hätte wahrlich besseres zu tun. Aber so. Ich kann nicht anderes. Kann einfach nicht anders. Ich muss das tun. Ich muss, muss, muss.

F aus seinen Gedanken hochschrecken:

Schicks dem sauberen Herrn da!

F lässt die Fäden von Rotpeter locker, so dass sie zu Boden sinkt.

Klingelgeräusch.

Rotpeter, zusammengesackt u. ganz schnell:

kann sich also selbst nicht erkennen

F:

Noch einmal!

Rotpeter noch schneller:

kann sich also selbst nicht erkennen.

F:

Meinetwegen.

F zieht genervt an den Fäden Gregors:

Nun Sie.

Gregor:

Schon wieder.

F:

Kein Wort.

Gregor tippt u. sagt:

Kein Wort.

F:

Nein! Sie Idiot. Sie gehen heute ohne Abendbrot zu Bett.

Gregor:

Sie gehen heute ….

F:

Nein. Fresse. Jetzt.

F diktiert:

wer sie erkennen will

Gregor affektiert:

Wer sie erkennen will

F:

Die Sache nervt. Los, schick das dem Früchtchen da!

F schlenkert Josephine, die Schlangenbewegungen macht.

Klingelgeräusch.

Josephine:

wer sie er….

F:

schneller

Josephine schnell:

kennen will

F:

Gut, mein Herr. Und jetzt Sie Dreckskerl!

F zeigt verächtlich auf Rotpeter.

Rotpeter:

Ich war schon.

F:

Na und! Faule Sau!

Rotpeter:

Jetzt aber. Ich war doch immer lieb und nett zu dir.

F:

Dann halt’s Maul und schreib.

Rotpeter wartet. F überlegt. F schlottert.

F, nebenhin:

Mich friert wieder. Aber erst die Arbeit.

F laut u. weihevoll:

muss Lüge sein.

Rotpeter bettelnd, zu F hochschauend:

muss Lüge sein.

F in Gedanken:

muss Lüge sein

Rotpeter tippt noch einmal.

F:

Dem da.

F lässt Gregor müde hampeln.

Klingelgeräusch.

Gregor wie eine Stimme von Tonband, das viel zu langsam läuft:

muss Lüge sein.

F:

Das war’s.

F lässt die Fäden aus der Hand gleiten. Rotpeter, Gregor, Josephine fallen auf den Boden. Sie halten ihren Kopf über den Spiegel. Schauen ihre Gesichter an. Tun so, als würden sie sich schminken.

F setzt sich auf den Tisch. Tritt nach den dreien:

Verschwindet jetzt.

Rotpeter, Gregor, Josephine kriechend ab.

F:

Muss Lüge sein.

F schüttelt den Kopf. Zieht im Sitzen den Mantel wieder an. Dann stellt er sich über den Spiegel.

F:

Muss Lüge sein.

F ab, dabei zieht er die Klopapierrolle aus der Hose u. wirft sie über die Schulter.

5. Szene



5. Szene

F liegt auf dem Sofa. Die Vogelmaske in der Hand.

Auf dem Tisch Streichhölzer u. eine Schüssel.

Rotpeter, Gregor, Josephine stehen am Rand der Bühne, Gesicht zur Wand. Sie tragen zerfetzte Trainingsanzüge. F sieht sie nicht.

Während der Szene singen sie leise „Ne me quitte pas“ von Jacques Brel, ziehen die Trainingsanzüge aus, dann schöne Sommerkleider an. Am Ende der Szene gehen sie stolz von der Bühne.

F, eine Hand in der Hose, in der anderen die Maske:

Hätte es anders sein können?

F stöhnt. Hält sich die Maske vor. Legt sie dann auf den Tisch. Nimmt das Feuerzeug. Spielt damit rum.

F:

Hätte ich es anders machen sollen?

Wann war der Augenblick, an dem sich alles entschieden hat?

Wo war der Ort, von dem an es kein zurück mehr gab?

F betrachtet die Feuerzeugflamme.

F:

Sie hätten nicht bleiben können.

Ich darf nicht bleiben.

Nichts darf bleiben.

Aus die Maus. Klappe zu, Affe tot. Flieg, Käfer, flieg.

Selbst der Fleck. Weg. Einfach weg.

Am Schluss wird aufgeräumt.

Wird sauber gemacht.

Selbst die Zigarette darf nicht mehr geraucht werden.

Hat der Arzt gesagt.

Der Arzt.

Als hätte ich es nicht schon immer gewusst.

F nimmt die Maske, zündet sie an u. legt sie in die Schüssel. Sie verbrennt.

F:

Als hätte ich es nicht schon immer gewusst.

Nichts darf bleiben. Es gibt keine Ordnung.

Es gibt dich nicht. Es gibt mich nicht.

Es ist besser so.

F dreht sich mit dem Rücken zum Publikum.

F deklamiert:

Es ist nicht notwendig, dass du aus dem Haus gehst. Bleib bei Deinem Tisch und horche. Horche nicht einmal, warte nur. Warte nicht einmal, sei völlig still u. allein. Anbieten wird sich dir die Welt zur Entlarvung, sie kann nicht anders, verzückt wird sie sich vor Dir winden.

Rotpeter, Gregor, Josephine hören auf zu singen.

F lacht u. krümmst sich zusammen, zieht den Mantel fester um sich.

Stille.

F atmet laut, aber entspannt.

Rotpeter, Gregor, Josephine gehen, spitze Stiefel mit hohen Absätzen in der Hand, von der Bühne.

F atmet, das Licht verlöscht.

ENDE

©Klaus Peter Buchheit

Augsburg 2005